“AM ENDE ZAHLEN BEIDE” Wer kommt für den Einsatz der Protektor AG auf – die Versicherer oder die Versicherten?
Wer kommt für den Einsatz der Protektor AG auf – die Versicherer oder die Versicherten? Der Aufsichtsratsvorsitzende Maximilian Zimmerer klärt auf.
GESAMTKOSTEN OFFEN Maximilian Zimmerer, 45, kann bei Protektor noch nicht Bilanz ziehen.
Im Februar hat der Bund der Versicherten Strafanzeige gegen Protektor wegen Untreue gestellt. Nun hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt. Fällt Ihnen ein Stein vom Herzen?
Würde einem Fan von Bayern München ein Stein vom Herzen fallen,wenn seine Mannschaft im Pokal gegen Greuther Fürth gewinnt? Nein, denn das Ergebnis würde er erwarten. Ich war irritiert über die Anzeige des BdV, besonders weil der Verband zuvor eine Anfrage an Protektor gestellt hat, die ausführlich beantwortet wurde. Und dann kam trotzdem diese Anzeige. Die Staatsanwaltschaft hat die Vorwürfe als widerlegt angesehen und das Verfahren eingestellt. Sie werden nicht überrascht sein, wenn ich sage: Das hatte ich voll erwartet.
Auslöser war ein Darlehen über 193 Millionen Euro, das Protektor der Mannheimer Holding gegeben und danach bis auf einen Euro abgeschrieben hat. Wofür war es bestimmt?
Protektor hat von der Mannheimer Leben den Versicherungsbestand übernommen. Die Mannheimer Leben hatte Löcher in den Kapitalanlagen, und zwar in etwa in Höhe von 193 Millionen. Als beherrschtes Unternehmen hatte die Mannheimer Leben einen Anspruch gegenüber ihrer Muttergesellschaft, der Mannheimer AG, diesen Verlust auszugleichen. Und dieser Anspruch wurde an Protektor abgetreten. Hätte Protektor diesen Anspruch nun geltend gemacht, wäre die Mannheimer AG überschuldet gewesen und gleich mit in die Insolvenz geraten. Bei einer Insolvenz bekommt man aber nicht mehr so viel heraus, denn da gibt es noch andere, die abgefunden werden müssen, die Mitarbeiter oder die Vertreter etwa. Außerdem wäre die sichere Überleitung und Weiterführung der Lebensversicherungsverträge gefährdet gewesen. Dafür aber trat Protektor an: Den Kunden sollte kein Schaden entstehen. In diesem Zielkonflikt hat sich Protektor dafür entschieden, den Anspruch auf Verlustausgleich in ein nachrangiges Darlehen ! umzuwandeln.
Was ist das Besondere an einem nachrangigen Darlehen?
“Nachrangig” bedeutet, dass es von der Gesellschaft als Eigenkapital angesehen werden kann. Es steht nach den übrigen Forderungen gegen die Gesellschaft, aber vor den Aktionären. Dadurch wird es nicht als Verbindlichkeit ausgewiesen, die zur Überschuldung führt. Für dieses Darlehen ist kein frisches Geld an die Mannheimer Holding geflossen, es war lediglich die Umwandlung eines bestehenden Anspruchs. Das Darlehen soll über die künftigen Gewinne der Mannheimer Holding verzinst und getilgt werden. Der Gewinnanspruch von Protektor geht dem der Aktionäre vor.
Die Uniqa-Versicherung aus Österreich, die bei der Mannheimer Holding einsteigen will, muss nur 25 Millionen Euro des Darlehens zurückzahlen. Wäre da nicht mehr drin gewesen?
Die Mannheimer Holding benötigte dringend frische Mittel. Als Investor wurde die Uniqa gewonnen, die im Rahmen einer Kapitalerhöhung neues Geld einzahlt und danach 87 Prozent der Aktien halten soll. Die Uniqa argumentierte nun zu Recht: Wer 79 Millionen Euro einzahlt, möchte auch Gewinne aus dieser Investition sehen. Nur: Solange das Darlehen von Protektor besteht, sieht der Aktionär nichts. Also muss zunächst das Protektor-Darlehen abgelöst werden. Man einigte sich mit Protektor auf 25 Millionen als Ablösebetrag. Daneben gab es noch weitere Interessenten, deren Vorstellungen aber an das Angebot der Uniqa nicht heranreichten. Insofern ist das ein Marktpreis, für den der Unternehmenswert der Mannheimer Holding nach ihrer Sanierung maßgeblich war.
Wie viel hat der Fall “Mannheimer Leben” die deutsche Versicherungswirtschaft bislang gekostet, um den Bestand zu sanieren und die Verträge der Protektor-Kunden fortzuführen?
Die Aktionäre der Protektor Lebensversicherungs-AG haben 240 Millionen Euro investiert. Das Geld diente dazu, die Verluste von 193 Millionen abzudecken und einen Risikopuffer zu schaffen, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Summe entspricht aber nicht einem Verlust, weil der Vertragsbestand von Protektor natürlich auch noch einen Wert hat, der sich durch eine Veräußerung des Versicherungsbestandes realisieren ließe. Wie viel das sein wird, lässt sich noch nicht sagen, das hängt von den Zinserträgen ab, die wir erwirtschaften können. Den Kunden sind im Durchschnitt 3,6 Prozent zugesichert worden. Alles, was darüber liegt, ist zusätzliche Verteilmasse, die an die Aktionäre und die Versicherungsnehmer geht. Jetzt schon eine genaue Höhe zu prognostizieren, ist schwierig.
Der Gesamtaufwand hängt also am Ende davon ab, wie viel Protektor beim Verkauf des Bestandes erlösen wird. Wann wird das denn so weit sein?
Protektor möchte alles so weit vorbereiten, dass der Bestand innerhalb dieses Jahres verkauft werden könnte. Ob sich aber in so kurzer Zeit ein Käufer findet und ob es günstig ist, den Verkauf noch in diesem Jahr abzuwickeln, wird sich zeigen. Ich gehe davon aus, dass ein Zeitrahmen von zwei Jahren realistisch ist.
Wer zahlt am Ende für den Fall der Mannheimer Leben – die Versicherer mit ihrem Eigenkapital oder die Versicherten mit ihren angelegten Geldern aus dem Deckungsstock?
Ein etwaiger Verlust aus der Protektor-Beteiligung geht als Erstes zu Lasten der beteiligten Versicherungsgesellschaften. Ob sich dadurch die Dividende der Anteilseigner oder die Gewinnbeteiligung seiner Versicherungsnehmer mindert, hängt nicht davon ab, ob die Beteiligung an Protektor im Deckungsstock gehalten wird. Bei den Kapitalerträgen wird nicht danach unterschieden, ob sie aus dem Deckungsstock stammen oder aus dem übrigen Vermögen. Es zählen nur die Gesamterträge. Davon stehen mindestens 90 Prozent den Kunden und bis zu zehn Prozent den Anteilseignern einer Lebensversicherungsgesellschaft zu. Verluste schmälern den zu verteilenden Gewinn, sind also in gleichem Verhältnis aufzuteilen. Die Versicherungsnehmer indirekt an den Kosten zu beteiligen ist auch richtig, denn Protektor schützt die Versicherungsnehmer und nicht etwa die Versicherungsunternehmen.
Im Endeffekt zahlen also beide?
Ja, am Ende zahlen beide. An Gewinnen wie an Verlusten sind beide Parteien beteiligt.
Wo verbuchen die 103 Gesellschafter von Protektor ihre Beteiligung an dem Unternehmen?
Das kann unterschiedlich sein. Die BaFin hat festgestellt, dass die Unternehmen das Protektor-Engagement zum inneren Wert dem Deckungsstock zuführen dürfen. Ob das alle Gesellschaften so machen, kann ich nicht sagen. Ich vermute, dass die meisten es so verbuchen.
Die Bundesregierung hat jetzt einen Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem die freiwillige Protektor-Lösung auf eine gesetzliche Basis gestellt werden soll. Wie bewerten Sie das?
Der Gesetzentwurf enthält viele gute Regelungen. Die Übernahme des Bestandes der Mannheimer hat gezeigt, dass noch einige Lücken im Gesetz bestehen. Positiv ist zum Beispiel, dass die Befugnisse der Aufsichtsbehörde bei der Bestandsübertragung erweitert werden sollen. Leider fehlen Regelungen zum Insolvenzrecht. Wenn ein Lebensversicherungsunternehmen nach der Übertragung seines Versicherungsbestandes auf Protektor insolvent wird, hat der Insolvenzverwalter das Interesse, alle Vermögensübertragungen zu stoppen, die bis dahin nicht abgeschlossen sind, so zum Beispiel die Übertragung von Immobilien, die üblicherweise im Hinblick auf die Grundbucheintragung längere Zeit dauern. Außerdem wurden einige Regeln aus der Einlagensicherung der Banken übernommen, die einfach nicht passen. Der Grund hierfür ist ein struktureller Unterschied der beiden Sicherungseinrichtungen: Bei der Einlagensicherung der Banken werden alle vertraglichen Beziehungen der Kunden beendet, während bei der Lebensversicherung die Verträge fortgeführt werden sollen. Der wesentliche Punkt aber sind die 500 Millionen Euro, die die Lebensversicherer vorab in einen Sicherungsfonds einzahlen sollen. Und zwar bevor überhaupt ein weiterer Protektor-Fall absehbar ist. Da muss man fragen: Was passiert mit dem Geld eigentlich?
Ist die Protektor AG dann identisch mit dem Sicherungsfonds oder sind das zwei getrennte Einrichtungen?
Auch das muss noch geklärt werden. Bei Protektor gibt es bereits eine Selbstverpflichtung der Branche, im Notfall Geld einzuzahlen. Die Anteilseignerstruktur von Protektor ist nicht identisch mit den Teilhabern am Sicherungsfonds, weil hier andere Regeln gelten, wie viel jeder einzahlen muss. Wir glauben daher, dass das Gesetz noch einmal diskutiert werden muss, insbesondere mit den Vorständen von Protektor, die ja bei der Mannheimer viele Erfahrungen sammeln konnten.
Das Gesetz widerspricht der ursprünglichen Strategie von Protektor, sich schlafen zu legen und auf den nächsten Notfall zu warten. Mit 500 Millionen Euro auf dem Konto ist ans Schlafenlegen ja nicht zu denken.
Die Voreinzahlung wurde damit begründet, dass es Protektor Schwierigkeiten bereitet hätte, das Geld einzusammeln. Das trifft nicht zu. Das Geld wurde vom Vorstand angefordert und innerhalb einer Woche hatten alle Aktionäre ihren Anteil überwiesen. Deshalb sehe ich keinen Bedarf für eine Vorabeinzahlung von Einlagen. Und die Frage, ob 500 Millionen Euro genug oder zu viel sind, kann man vorab doch gar nicht beantworten. Außerdem: Was soll mit dem Kapital passieren, wenn es zu keinem weiteren Protektor-Fall kommt? Wem stehen die Erträge zu? Im Schlafzustand wäre Protektor dann eine Vermögensverwaltungsgesellschaft. Ich glaube, die Versicherer können mit dem Geld der Versicherten besser umgehen, als dass wir noch einmal eine Zwischeneinrichtung brauchen, in der das Geld der Branche verwaltet wird. Ich halte das für wenig sinnvoll.
Interview: Wolfgang Krischke, freier Journalist.