“Protektor ist Neuland. Das reizt mich”
Exklusiv-Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Protektor Lebensversicherungs-AG, Günter Himstedt.
Aus dem Nichts muss Günter Himstedt einen Lebensversicherer aufbauen und sich das Vertrauen von 345 000 Kunden und der Branche erarbeiten. Ein Exklusiv-Interview mit dem neuen Vorstand der Protektor AG.
Positionen: Herr Himstedt, war Ihr Schritt zurück ins Berufsleben geplant?
Günter Himstedt: Nein, überhaupt nicht.
Wann kam der Anruf mit dem Stellenangebot?
Genau 14 Tage vor dem Antrittstermin.
Wie lange haben Sie um Bedenkzeit gebeten?
Eine Woche. Wobei: Zunächst habe ich ja nur einem ersten Gespräch zugestimmt. Danach habe ich mich sehr schnell entschieden, auch nachdem die “Heimatfront” gesichtert war.
Was sagte Ihre Frau dazu?
Ohne Ihre Zustimmung hätte ich nicht ja gesagt.
War Ihnen im Ruhestand langweilig?
Überhaupt nicht. Ich habe ein Studium begonnen, Archäologie und alte Geschichte. Das Grundstudium hatte ich soeben abgeschlossen. Die Archäologie ist ein altes Steckenpferd von mir. Ich sagte schon vor zwanzig Jahren: Wenn ich mal aufhöre, dann mache ich das.
Lockten Sie die Forschungsreisen?
Dazu müsste ich ins Haupstudium. Aber ich studiere nicht, um dort Karriere zu machen, sondern um meine Interessen zu vertiefen und das Wissen auf Reisen anzuwenden. Ich versuche das, was man in der Antike das kontemplative Leben nannte.
Mit der Kontemplation ist es nun erst einmal vorbei. Haben Sie sich ein Limit gesetzt, wie lange Sie diesen Job machen wollen?
Zwei Jahre. Sollte es früher vorbei sein, hoffe ich, dass mich der Aufsichtsrat in Gnaden entlässt. Zwei Jahre aber sind das absolute Limit.
Was reizt Sie an der Aufgabe Protektor?
Es ist juristisches und in gewissem Sinne auch ökonomisches Neuland. Ich muss einen Bestand an Lebensversicherungen aus einem angeschlagenen Unternehmen herausnehmen und eine neue Organisation aufbauen. Ich empfinde des als eine interessante Herausforderung.
Hatten Sie früher mit ähnlichen Fällen zu tun?
Ich habe immer solche Aufgaben gesucht. Einmal musste ich eine Bank liquidieren, bei der ein Manager Kundengelder veruntreut hatte. Das war sehr unangenehm damals, doch ich lernte dabei, dass man in solchen Situationen vor allem eines sein muss: schnell. Also auch mal improvisieren.Vieles strukturiert sich von selbst, wenn man keine Pflöcke einschlägt, sondern es am Anfang ein wenig offen lässt. Die größte Herausforderung war der Aufbau der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft. Da musste ich bei Null anfangen. Es ging darum, den Liegenschaftsmarkt in Ostdeutschland zu begründen. Das ist damals recht schnell gelungen.
Wie viele Mitarbeiter haben Sie im Moment?
Keine. Wir führen Gespräche. Manche arbeiten schon für mich, ohne auf der Payroll zu stehen.
Welches Interesse werden Ihre Mitarbeiter haben, sich für Protektor zu engagieren?
Die Leute, die per Gesetz übergehen, die sehen in Protektor ihre Arbeitsheimat, so wie sie früher bei der Mannheimer Lebensversicherung war. Für alle, die ich von draußen gewinne, ist die Motivation die Herausforderung. Ich würde mich übrigens freuen, wenn Mitgliedsunternehmen mir für meinen kleinen Stab Mitarbeiter entsenden würden. Für einen jungen, ehrgeizigen Menschen kann ich mir nichts Schöneres vorstellen als eine solche Aufgabe.
Nach welchen Qualifikationen suchen Sie?
Für die Bereiche Asset Management, Personalrecht, IT-Schnittstellen und Betriebsorganisation.
Was müssen Sie selbst noch lernen?
Ich rüste mein Detailwissen für den konkreten Vorgang, der entschieden werden muss. Da steige ich dann tief ein, damit ich mitreden kann.
Welche Entscheidungen stehen in den nächsten Tagen an?
Die Verhandlungen mit der Mannheimer, dafür haben wir uns die kommende Woche reserviert.
Sie haben bald über 345000 Kunden. Welche Botschaft haben Sie an die?
Die Botschaft lautet: Macht Sie nicht den Fehler und kündigem Sie Ihre Verträge. Unsere Storno-Quote ist im Moment höher als branchenüblich. Das muss uns beunruhigen. Wenn wir deutlich machen können, dass die Protektor AG ihre Aufgabe erfüllt, bin ich überzeugt, dass die Stornoquote wieder in den normalen Bereich zurückfällt.
Könnten Sie es sich nicht einfach machen und all Ihren Kunden kündigen?
Wir sichern uns den Stornogewinn, um die Sache zu erledigen? Nein, das wäre ein absurdes Hasadeurspiel. Der Bestand soll bestehen bleiben und im Interesse der Versicherten Erträge generieren.
Wann bekommen Ihre Kunden die erste Post von Ihnen?
Sobald ein genehmigungsfähiger Übertragungsvertrag unterschrieben ist.
Wie lange werden die Verhandlungen dauern?
Wir werden keine Zeitverzögerung zulassen. Einen konkreten Termin möchte ich noch nicht nennen, aber alle Beteiligten wissen, dass straff und hart verhandelt werden muss. Viel Arbeit wird das Sammeln von Daten machen, denn die sind wichtig, wenn es um die Vertragsdetails geht.
Was kommt auf die Mitarbeiter zu, die von der Mannheimer zu Protektor wechseln?
Alle Mitarbeiter, die nach Paragraph 613a BGB auf die Protektor AG übergehen – ich betone, das ist ein gesetzlicher Übergang – werden einen Protektor-Vertrag bekommen. Ihr gesamter Vertragsinhalt bleibt unverändert. Ob uns das gefällt oder nicht – das muss ich so akzeptieren.
Wie viele Mitarbeiter werden Sie beschäftigen?
Das kann ich beim besten Willen noch nicht sagen. Lediglich was die externen Fachkräfte angeht: Da möchte ich zehn Leute haben.
Eines Ihrer Ziele ist, Ihre Kunden wie ein Qualitätsversicherer zu betreuen. Ist dieses Ziel überhaupt so schnell zu schaffen? Rechnen Sie nicht mit Anlaufproblemen?
Mein erster Eindruck ist: Ich finde hier motivierte Mitarbeiter, die zeigen wollen, dass sie etwas von Bestandspflege und Bestandsverwaltung verstehen. Dass sie mit dem Schicksal, das die Mannheimer Lebensversicherung ereilt hat, persönlich nichts zu tun haben. Mit einer solchen Motivation bekommen es hin, eine vernünftige Qualität herzustellen. Es geht aber nur um die Bestandspflege, nicht ums Neugeschäft. Und was die IT-Umgebung angeht, greife ich per Dienstleistungsvertrag auf die Ausstattung der Mannheimer zurück. Ich habe auch ein Interesse daran, die Kostenstruktur zu durchforsten.
Zeitungen berichten von einem “Grummeln” unter den Gesellschaftern. Einige würden überlegen, aus der Verbandslösung auszuscheiden.
Das ist bei mir nicht angekommen, ich lese das nur aus der Presse. Die Branche hat mit der Gründung von Protektor A gesagt. Und jetzt sagt sie B. Den Gesellschaftern der Protektor AG möchte ich vermitteln: Ich tue, was wirtschaftlich geboten ist, aber nichts darüber hinaus. Ich übernehme den Bestand und stelle den Vertrauensschutz für die Kunden her. Das Produkt Lebensversicherung verdient auch im schlimmstmöglichen Fall Vertrauen. Das möchte ich mit Protektor verwirklichen. Dazu gehört auch, dass ich die Situation meines Darlehens an die Mannheimer beobachte…
…die Rede ist von 230 Millionen Euro…
…wieviel auch immer, die genaue Summe errechnen die Wirtschaftsprüfer. Ich schaue, dass das Darlehen valide bleibt, dass also immer Rückflüsse aus der Mannheimer Holding kommen.
Das Ziel ist es, in zwei Jahren einen Bestand zu verkaufen. Fließen die Erlöse in diesem Fall an die Gesellschafter der Protektor AG zurück?
Ja. Protektor fällt dann in eine Stand-by-Position zurück, um per Mausklick wieder aktiviert werden zu können. Ein zweiter Start würde natürlich leichter fallen, mit all den Erfahrungen im Gepäck.
Aber nochmal würden sie nicht..?
Nein! (lacht) Da bekomme ich keine Zustimmung von Zuhause. Aber, um das klar zu sagen: Wir rechnen nicht damit, dass es einen zweiten Fall Mannheimer gibt.
Interview: Wolfgang Krischke, freier Journalist